O happy day
Veröffentlicht von Helmut G. Müller in Pfarrer in Wachenbuchen · 1 Juni 2011
Richtfest, der Dachstuhl steht, man ahnt die zukünftigen Räume. Neue
Ausblicke ergeben sich. Es ist ein wunderbarer Sommertag. Pünktlich zum Vieruhr
Geläut erscheint die Redakteurin des Tagesanzeigers. Die Theaterkids
unterbrechen ihre Probe und wir drängeln uns zum Bau. Bunt weht schon der
geschmückte Richtbaum. Der Zimmermann steigt hinauf, verliest den Richtspruch.
Den „Einzelkelch“ haben wir ihm mit heiligem Wasser gefüllt, unserem
„evangelischen Lourdeswasser“, das uns der Herr einst übergeben hatte (mehr
dazu …).
Vielleicht war der Herr Jesus gestern auch noch mal selber
da. Jedenfalls hatten wir plötzlich ein paar Jakobspilger im Gottesdienst,
gerade als wir das Brot brachen. Es war für das Abendmahl der Vorkonfirmanden
gedacht und wir trugen es feierlich herein. Der Herr musste dann zwar weiter
mit seien Pilgerinnen, aber er hat uns seinen Segen dagelassen.
Vorgestern war er auch schon mal musikalisch präsent. Er hat
gesungen und gespielt gegen Kindesmissbrauch in der Kirche – diesen schlimmen
Skandal. Aber er machte das, wie er das so macht: Nicht anklagend und
verletzend, auch gar niemand beschuldigend, sondern so, dass es einfach zu
Herzen geht und sich von selbst versteht: Der Klassiker von Bettina Wegener
gespielt auf Kinderxylophon und –harmonika: „Sind so kleine Hände …“. Ja, so
klein kann er sich machen und ist doch so groß.
Bei der Trauung zuvor ließ er auch gleich noch der jungen
Frau, die ihren Traummann immer noch sucht, ausrichten: Also er wäre jetzt
schon dreimal bei ihr gewesen und hätte mit ihr sogar schon mal gegessen. Er
sähe halt nun mal mit seinen Wunden und Narben nicht aus wie ein Adonis, und er
hätte auch so manchen Schmerz noch auf der Seele, aber sie könnten das doch
gemeinsam tragen, und ich solle ihr das mal ausrichten, weil er sonst nämlich
mit seiner Allmacht bei ihr auch am Ende ist.
Zurück zum Bau der neuen "Kirche". Was ich eigentlich sagen wollte - es hätte
wohl kaum eine bessere Zeit geben können für das Richtfest als diese Tage.
Natürlich hat der Zimmermann dort oben in der Höhe das
heilige Wässerchen auch für uns alle getrunken und der „Kelch“ liegt – so wie
es Sitte ist – zerbrochen im Obergeschoß. Ein zerbrochenes Glas als Symbol des
Heils, damit sonst nichts mehr zerbrechen muss. Vielleicht liegt auch noch ein
kleiner Tropfen von unserem Lourdeswasser irgendwo im Beton.
Ein wenig später stehen jedenfalls drei Kirchenvorsteher
genau hier und bewundern den herrlichen Ausblick von dieser Stelle: Auf
Kindergarten, Schulweg, den Kirchturm, den alten Friedhof, der sich im
schönsten Grün zeigt. Wir loben den Architekten. Es geht etwas Anziehendes von
diesem Platz aus. Unser Vorsitzender sagt: „Hier könnten wir doch unsere
Kirchenvorstandssitzungen machen.“ Das
war zwar bisher nirgends so in unseren Plänen vorgesehen, aber wer den Herrn
Jesus kennt weiß ja, dass er immer anders kommt als geplant. Na ja, jetzt kommt
jedenfalls erst mal der Chor herein und übt mit großer Ausdauer. „O happy day –
when Jesus washed my sins away.“. Ich selbst beschließe den Tag mit einem „Herr
bleibe bei uns, denn es will Abend werden …“.
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