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Das Christkind aus dem Bauwagen


Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder wo wir Menschen sind. -  wir zelebrieren das auch bei uns zu Hause so. Der Christbaum wird angezündet. Alle verlassen das Wohnzimmer, dann klingelt es irgendwann und die Kinder dürfen  vorsichtig nachsehen. Ja und dann ist's auch schon dagewesen: Das Christkind, leise und unsichtbar und hat seine Geschenke unter den Tannenbaum gestellt. So ist das jedes Jahr. Nur in einem Jahr war es anders. Da war das Christkind leibhaftig da. Es kam am Morgen des Heiligen Abends in der Gestalt eines alten Bekannten. Er war seit  Jahren nicht mehr dagewesen, so dass unsere Kinder ihn nicht kannten, und  nun also am 24 Dezember kam er, um sich mit uns über Gott und die Welt zu unterhalten. Er kam draußen vom Walde. Ich weiß nicht mehr genau ob er damals in einem ausrangierten Bauwagen wohnte oder in einem umgebauten Krankenwagen, der dem TÜV gerade noch mal so entsprungen war.  Ich glaube, er lebte von Sozialhilfe und erfüllte zugleich alle Vorurteile die es gegenüber Sozialhilfeempfängern gibt. Andere hingegen meinten, er sei wohl so etwas wie Diogenes, der Philosoph der in der Tonne lebte.

Auf jeden Fall wusste ich nicht, ob ich mich freuen sollte oder stöhnen als er nach Jahren ausgerechnet am 24. Dezember aufkreuzte. Mir war jedenfalls überhaupt nicht danach, an jenem Tag mit ihm über Gott und die Welt zu philosophieren. Am 24. Dezember hat ein Pfarrer schließlich noch anderes zu tun. Aber dann haben wir's doch versucht mit ihm und Gott und der Welt - trotz aller Zeitprobleme. Dabei kam die himmlische Erleuchtung und machte den Tag unvergesslich: "Na klar, dich schickt der Himmel, du bist der Weihnachtsmann". Irgendwo hatten wir noch einen roten Mantel, Mütze und Bart dazu. Die Stiefel, die er trug waren auch genau richtig. Während die Kinder in der Kirche beim Krippenspiel die Geburt des Heilandes verkündeten, bereitete er sich auf seine Rolle als Weihnachtsmann vor.

Ich muß gestehen, ich war auf den Auftritt mindestens genauso gespannt wie mein Sohn.  Man wusste schließlich bei diesem Menschen nie so genau, was passieren würde. Aber dann klopfte es, wir öffneten die Tür und er kam herein. Als er begann: "Draußen vom Walde komm ich her",  konnten wir uns ein Lächeln nicht verkneifen, weil dies ja die reine Wahrheit war. Was er erzählte, wie er mit uns redete - selbst der größte Zweifler hätte bestätigen müssen: Dieser Weihnachtsmann ist echt - oder war's das Christkind, das jetzt leibhaftig zur Erde gekommen war und Gestalt angenommen hatte an diesem heiligen Abend. Jedenfalls brachte er die große Freude, welche die Engel angekündigt hatten.

Ich weiß nicht genau, wo er heute ist. Irgendwann hat er noch mal angerufen, weil sie ihn aus dem Bauwagen vertreiben wollten. Er macht jetzt Musik, sagte mir jemand. Wer weiß, vielleicht kommt er Weihnachten wieder. Vielleicht klopft er auch an Ihre Tür. Und wenn er irgendetwas reden sollte von Engelsgesang, von einer Erscheinung, die er hatte, von einem Kind, das eine junge Frau in einem Bauwagen zur Welt brachte, glauben sie ihm ruhig die Geschichte.

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