Johannes 3,14-18, so hat Gott die Welt geliebt - kloster-hachborn.de

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Geist > Weihnachten

Predigt zur Christvesper  nach Johannes 3,14-18

Wie  Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden,
damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.
Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern  dass die Welt durch ihn gerettet werde.
Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.

Liebe Schwestern und Brüder,

sind ihnen die Hirten begegnet auf dem Weg hierher? Sie haben mit großer Freude die Geburt des Christkindes gefeiert, und nun sind sie wieder gegangen. Maria und Josef sind aufgebrochen aus dem Stall und die Weisen lassen sich jetzt selbst beschenken am Gabentisch der Familie. Die Engelscharen sind wieder zu ganz realen Kindern geworden. „Ihr Kinderlein kommet,  o kommet doch all“, haben wir gesungen, und sie waren auch fast alle da: die Kinder unserer Gemeinde zum Krippenspiel. Ihre Spuren sind noch unübersehbar.

Die Botschaft der Engel liegt noch in der Luft, inzwischen ruhig, fast schon wie eine Erinnerung  an alte Zeiten füllt sie den Raum.

"Fürchtet euch nicht, siehe ich verkündige euch große Freude. Die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren“, verkündet der Weihnachtsengel. An vielen Orten wird er heute von Kindern im Krippenspiel dargestellt.

In der Tat, Weihnachten, da steigen Kindheitserinnerungen auf. Viele wollen selbst gerne noch einmal „wie Kinder fromm und fröhlich sein“. Ja könnte man noch einmal so die Welt mit Kinderaugen sehen, den Zauber eines heiligen Abends.

Wir können! wir können! - noch einmal wie neugeboren.

„Große Freude allem Volk“, das ist heute angesagt.

Wie geht das zu? Kinder sind die meisten von uns ja längst nicht mehr. Wir haben die Welt kennen gelernt. Und wir haben  die Menschen kennen gelernt. Was bringen wir heute Abend auch alles mit an Enttäuschungen, an Last und Leid eines Jahres. Mancher muss an diesem Fest damit fertig werden, dass die Familie nicht mehr so zusammen ist, wie in den Jahren zuvor. Er spürt den Schmerz über das Zerbrochene heute besonders, den Schmerz über den Verlust. Weihnachten - da wiegt auch die Einsamkeit doppelt.

Weihnachten, das Fest der Liebe - schön wenn sie da ist, aber wir spüren es auch doppelt wenn sie fehlt. "Noch nicht mal zu Weihnachten ein Gruß", sagt eine Mutter, deren Sohn gar nicht so weit weg wohnt und keinen Kontakt mehr sucht.

"Das ganze Jahr über wart ihr nicht da, da braucht ihr jetzt auch nicht zu kommen", berichtet eine Tochter über einen Rausschmiss. Dabei wollte sie doch nur zaghaft wieder einen Anfang machen, trotz allem was vorher war.

Und da kann man nun noch sehr beschließen, sich nicht zu ärgern, sich dennoch zu freuen  - es gelingt nicht. Nicht aus uns selbst heraus, nicht durch eigenes Wollen.

Da muss offensichtlich erst ein Engel kommen und uns einweisen in den Frieden auf Erden, in die große Freude. Er muss uns himmlisch ablenken, von aller Last und allem Schmerz der Erde.

Genau deswegen, um uns himmlisch abzulenken erzählt der Evangelist Lukas seine Weihnachtsgeschichte. Es ist eine Geschichte voller Engel, eine Geschichte aus Geist und Phantasie. Dabei möge sich niemand darüber ärgern, dass das alles so wirklich gar nicht geschehen sei, eine bloße Legende. Gewiss  - doch wer eine Landkarte lesen will weiß, was eine Legende leistet. Sie ist der Schlüssel zum Verständnis des Realen. Die Engel der Weihnachtsgeschichte schließen Wirklichkeit auf. Sie bereichern die Welt um eine ganze Dimension. Sie weisen hin auf neue Möglichkeiten.

Und sie weisen die Menschen, denen sie begegnen in diese neuen Möglichkeiten ein:

Die Mutter etwa, die durch eine schlimme Krankheit ihre Tochter verloren hat:  "Sieh, doch da sind im Nachbarort Kinder, die eine Mutter suchen, oder zumindest einfach jemand, der sich um sie kümmert." Und sie geht hin und wird ein Segen.

Und der, der seine Arbeit verloren hat. "Sieh doch, da sind zwei alte Menschen, krank und pflegebedürftig, die brauchen jemand, einfach nur auf ein gutes Wort". Und er geht hin und wird ein Segen.

Und die reiche alte Dame, die von Jugendlichen überfallen wurde: "Sieh doch da hat eine junge Frau ein Kind zur Welt gebracht, und sie weiß nicht wie sie's großziehen soll". Und sie geht hin und wird ein Segen.

Gottes Sohn im Stall, das muss einem erst gesagt werden.
Der Schöpfer der Welt in Windeln gewickelt in einer Krippe liegend - auf die Idee muss erst mal einer kommen.

Das Jesuskind auf der Flucht bei den Asylanten, wie Matthäus das berichtet, das muss sich erst mal einer träumen lassen.

Ein Kind wird gerettet, nur eines – aber dieses eine ist das Symbol der Hoffnung auf Rettung für alle.

Weihnachtsgeschichten,  das sind wunderbare Geschichten, das ist der liebevoll erzählte Glaube, dass Gott selbst als Mensch auf dieser Erde war und auch heute auf dieser Erde ist. Weihnachtsgeschichten – das ist die wunderbare Verpackung für ein noch herrlicheres Geschenk.

Dass Lukas und Matthäus dabei ganz unterschiedliche Weihnachtsgeschichten erzählen, dass auch jeder von uns getrost seine Version der Weihnachtsgeschichte in aller Freiheit erzählen kann, wird nicht stören, aber von dem Reichtum der Liebe zeugen.

Alle, alle, alle sollen ja schließlich gerettet werden, berichtet Johannes und erzählt deshalb die Weihnachtsgeschichte noch einmal ganz anders. Oder besser noch: er macht daraus ein philosophisch- theologisches Nachtgespräch, denn auch die Philosophen und die Theologen sind noch zu retten, jedenfalls wenn sie so halb gläubig nachts zu Jesus kommen, wie der gebildete und fromme Pharisäer Nikodemus.

Ein Lob der Schlange singt dabei das Johannesevangelium dem frommen Mann; ein Lob der Kunst der Verführung zum Sinnenglück.

Es muss etwas dran sein an dieser Welt, an Fleisch und Blut, am Glück der Erde, dass Gott im Himmel seine Ewigkeit preisgibt, um einmal höchst persönlich über diese Erde zu wandeln, dass er selbst den Tod am Kreuz auf sich nimmt, weil man diese Erde - weiß Gott - himmlisch lieben kann.

Ja, so hat Gott die Welt geliebt, dass er von der Geburt bis zum Tod sich ganz auf ein Leben auf diesem Planeten einlässt. Die Macht, die Himmel und Erde schuf, als Mensch unter Menschen mitten unter uns.

"Wie Moses in der Wüste die Schlange erhöhte" - Jesus wird dabei zu einer jüdische Äskulapsnatter. Sie kennen das Symbol ja, das mit der Schlange. Wenn nicht, dann fragen sie ihren Arzt oder Apotheker. Die haben das nämlich an der Fensterscheibe. Das Symbol der körperlichen Heilung.

Gottes Liebe zur Welt - nicht nur platonisch. Weihnachten nicht nur himmlische Freude - auch ein ganz irdisches Vergnügen. Feiern wir's ruhig so und ärgern wir uns nicht, wenn es nicht nur besinnlich zugeht.

Gott sendet seinen Sohn nicht in die Welt, um sie zu richten, auch nicht um ihr ein schlechtes Gewissen zu machen, sonder dass die Welt durch ihn gerettet werde.

Sind wir noch zu retten? Ist das, was ich versäumt habe in meiner Lebenszeit für alle Ewigkeit verloren?

Eine alte Dame erzählt: Es ist gut, dass die Jugend heute viel freier aufwachsen kann. Ach was wurde uns früher nicht alles verboten, wo man heute nur noch drüber lacht. Was hat man sich alles nicht getraut. Wie viel Angst haben wir gehabt, vorm Lehrer, vorm Pfarrer und auch vor dem da oben.

Sie sagt das nicht grießgrämig, oder mit Neid oder gar Bitterkeit über diese Jugend heute, sondern wie der Weihnachtsengel: mit großer Freude; der Freude an den Möglichkeiten der anderen, der Nachkommen, der leiblichen Enkel und erst recht der Enkel im Geist.

Das also ist Glaube: So außer sich sein, dass ich bei einem anderen mein verlorenes Leben wieder finde und das von mir Versäumte allzu irdische, allzu menschliche gar bei Gott.  Der war ja auf dieser Welt und hat dabei nichts, nein wirklich nichts versäumt.

„Fürchtet euch nicht, siehe ich verkündige euch große Freude“, sagt der Weihnachtsengel den Hirten und sie versäumen keine Zeit mehr, eilen zum Stall und entdecken: Trotz allem Elend – dies ist eine wunderbare Erde, und es ist gut auf ihr zu leben.


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