Liebeslied zum Jahreswechsel - kloster-hachborn.de

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Ein Liebeslied zum Jahreswechsel 2015/1016
Predigt zu Römer 8, 35- 39
Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder HUnger oder Bloßstellung oder Gefahr oder Schwert. ... Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.


Wenn Ihr Jahr ein Musikstück wäre - wie würde es klingen? Vielleicht so, wie beim Neujahrskonzert 2015:
Der Triumphmarsch aus Aida mit Pauken und Trompeten, weil in diesem Jahr vieles so glatt gelaufen ist?  Kaiserwalzer und leichtes Blut oder eher die armenischen Tänze? - Lebendigkeit selbst im Angesicht einer Katastrophe.
Oder war es eher wie eine Volksweise, altbekannt, aber immerhin eine nette Melodie? Nicht unbedingt fürs Massenpublikum, aber klein und fein: „Hejo spann den Wagen an“  beim Konzert der Kirchenmäuse. Da waren Gewitterwolken und doch wurde die Ernte gerettet.
Oder war Ihr Jahr ein schönes Duett? Vielleicht klang es auch so richtig rockig, durchaus mit ein paar heftig improvisierten Passagen, aber fetzig und laut, so richtig zum Abtanzen, mit  pfingstlicher Ekstase, einfach nur geil.
Die Geschmäcker sind verschieden, und unsere Lebenswege im vergangenen Jahr waren es erst recht. Wieder ein Jahr rum - was hat es mit sich gebracht? Wie klang es?
Was haben Sie gesungen, welche Musik haben wir noch in den Ohren. Open stage - offene Bühne, das war die Veranstaltung, bei der jeder seine Melodie singen konnte. Jugendlich vielleicht mit Sido und Andreas Bourani -„Wie ein Astronaut:  Sind wir nicht eigentlich am Leben, um zu lieben, um zu sein? Hier würd' ich gern für immer bleiben, doch ich bin ein Wimpernschlag. der nach 5 Milliarden Jahren nicht viel mehr zu sein vermag.“
Oder mit den Ärzten wiederauferstanden und gegen randalierende Neonazis: Schrei nach Liebe. Dazwischen ein Rock Konzert der „eagles of death metal“ in Paris mit so vielen Toten durch islamistischen Terror.
Und dann am Ende des Jahres vielleicht noch eine andere Musik, die es auf Platz Nummer 1 der Albumcharts gebracht hat: Weihnachtslieder mit Helene Fischer.
Nein – auf dem Bild hier, das ist nicht Helene Fischer sondern Yvonne Schröder bei der Bläserweihnacht. Doch voll bis auf den letzten Platz war die Kirche  auch .
Vielleicht war dies sogar das bemerkenswerteste Ereignis 2015: Das Fest der Heiligen Familie hat noch einmal an Bedeutung gewonnen. Allein 6 verschiedene Krippenspiele in Kirchen und Gemeindehaus, dazu ein Weihnachtsmärchen, ein Musical voll „Freude“ und eben die Bläserweihnacht. Da reicht ein Heiligabend längst nicht mehr aus zum Feiern von Christi Geburt. So ist mittlerweile schon die ganze Adventszeit erfüllt von Weihnachtsfesten.
Nicht immer waren Pfarrerin oder Pfarrer dabei Regisseur oder Moderator, aber die freundliche Einladung, zur Ehre Gottes dabei zu sein, hat sie doch erreicht.
In all den Unsicherheiten über das Kommende, in all den Widersprüchen der Welt ist die Familie wieder sehr wichtig geworden.
Als Pfarrer habe ich  einen großen Vorteil. Wenn ich wissen will: „Was kommt auf uns zu?“ dann muss ich nur die Konfirmanden fragen. Das mache ich und frage regelmäßig: Was ist für euch das Wertvollste?
Das Ergebnis des Jahres 2015 sehen sie hier, das haben die Konfirmanden auf ihrer Werteskala ganz oben hin geschrieben:

Die Familiensituationen können dabei sehr unterschiedlich sein, von alleinerziehend mit gelegentlicher Unterstützung des Opas bis hin zur Großfamilie mit vielen Cousins und Cousinen. Wie auch immer - das Heiligste ist die Familie an sich, liebe Schwestern und Brüder.
So sind wir als christliche Gemeinde auch genau dort stark, wo wir das leben: Eine Familie - Söhne eines himmlischen Vaters, Töchter eines Gottes, der einen tröstet wie einen seine Mutter tröstet - so die Jahreslosung 2016.
Ganz nebenher gibt es ein weiteres erfreuliches Ergebnis: Es werden wieder mehr Kinder geboren in unserem Land.
Doch auch wer im vergangenen Jahr fröhlich gesungen hat  „Ihr Kinderlein kommet, oh kommet doch all“ hat in diesem Jahr ein wenig innegehalten, als sie wirklich alle kamen, über’s Meer und über Grenzen hinweg:  Flüchtlinge, meist junge Menschen, auch  unbegleitete Jugendliche, die in ihren Herkunftsländern noch weniger hatten als einen Stall. Wir haben sie eingeladen, den Stall für die Weihnachtsgeschichte zu bauen, und sie kamen.

Der lang anhaltende Beifall für sie am Ende unseres diesjährigen Krippenspieles „Auf der Flucht“ zeugte von einer hohen Aufnahmebereitschaft der christlichen Gemeinde hier am Ort. Gleichzeitig aber ist wichtig zu zeigen, wie Heil und Leben, wie Integration gelingen kann: nicht durch Abschottung, sondern durch die Einladung hier mitzumachen, sich einzubringen, schon mal Stall und Krippe aufzubauen.
Das ansonsten mit der Taufe verbundene Patenamt hat da noch einmal eine ganz neue Bedeutung gewonnen. Wir brauchen Menschen, die Brücken bauen und andere mithinein nehmen in unsere Gesellschaft.
Gleichzeitig stellt sich damit aber auch eine Anfrage an unsere kirchliche Taufpraxis.Wichtige Elemente des klassischen Taufgeschehens ereignen sich heute, ohne dass es zur Taufe als Siegel auf dem Ganzen kommt. Menschen übernehmen Patenaufgaben. Es ist längst Allgemeingut, dass Bildung und Unterricht der Schlüssel sind für eine gelingende Integration.
Was viele aber heute vergessen haben: Eine zentrale Wurzel unseres Schulsystems ist der Taufunterricht. In der alten Kirche dauerte er ca. 3 Jahre, in der Reformationszeit haben die Kinder mit der Bibel lesen und schreiben gelernt. Der erfolgreiche Abschluss des Unterrichts war die Konfirmation als Bestätigung der Taufe. Bis vor 100 Jahren lag die Schulaufsicht deshalb in vielen Orten auch noch in den Händen der Kirche. Diese enge Verbindung von Kirche und Schule zeigt sich bis heute bei der jährlichen Jubiläumskonfirmation. Für die goldenen und diamantenen Konfirmanden sind das auch Klassentreffen. Doch bei den silbernen ist der Zusammenhang weitgehend abgebrochen.
Eine kleine Renaissance der alten Praxis erleben wir heute mit den Taufen im Rahmen des Vorkonfirmanden- oder Hauptkonfirmandenunterrichts.

Doch wie wär’s wenn wir wieder dahin kämen: Die Taufe als Zeichen für einen erfolgreichen Grundschulbesuch und eine gelungene Integration, unabhängig von der jeweiligen Herkunftsreligion und befreit von überflüssiger Bürokratie wie Patenscheinen und Dimissoriale.
Noch ist das Zukunftsmusik, aber es ist wichtig, jetzt mit der Komposition zu beginnen. Die Zukunft der Kirche liegt in „weniger Behörde und mehr Familie“!
Diese Zukunft in den Blick zu nehmen tröstet dann wohl auch über das, was langsam zu Ende geht - auch hier in unserer Gemeinde.
Der ganz normale Sonntagsgottesdienst  ist längst nicht mehr normal. Die Teilnehmerzahl hat auch in dem vergangenen Jahr weiter abgenommen bei gleichzeitiger Überalterung. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Das liegt nicht daran, dass den Menschen nichts mehr heilig wäre, sondern im Gegenteil, weil ihnen die Familie so heilig ist. Der Sonntagmorgen ist häufig der einzige Zeitpunkt, an dem die Familie mal an einem Tisch zusammensitzen kann. Deswegen ist der Schutz des Sonntags nach wie vor sehr wichtig.
Wenn sich darüber hinaus Freundeskreise, Nachbarschaften oder eine Vereinsfamilie am Wochenende trafen, so wurde das im vergangenen Jahr auch häufig mit einem Gottesdienst eröffnet.: Vatertag von FC Mittelbuchen, Freien Turnern und Vorwärts, Scheunenfest der Kewa, Bachgassfest der Feuerwehr. Aber auch die Moderation des Blasorchesterkonzertes und manches mehr gehören hier dazu. In der Summe sind es nun am Jahresende nicht weniger Menschen, sondern eher mehr, die unsere Verkündigung erreichte.
Dabei spielt auch das Internet eine wichtige Rolle. Mit Abstand am häufigsten abgerufen wurden die Krippenspiel- und Predigtseiten.
Im Zentrum dieser Verkündigung steht nach wie vor unser „Lieblingsmensch“ - auch das ein Hit des zu Ende gehenden Jahres. „Fragst du wer er ist, er heißt Jesus Christ“, singt Martin Luther. Er begegnet dir dort, wo Liebe konkret wird. Ein Musical hat bei uns in diesem Jahr mit viel Freude vom Ereignis der Liebe gesungen.

Jesus Christus -  das ist das Synonym für fleischgewordene Liebe, und davon kann uns nun wirklich nichts, aber auch gar nichts, scheiden.
Für den Jahreswechsel 2015/2016 singt uns dazu der Apostel Paulus ein Liebeslied, anzustimmen, wenn das Schicksal schlägt, wenn der Tod bedrohlich nahe kommt. Ein Lied für Zeiten, in denen sich Gräben auftun und neue Menschen und Mächte die Weltbühne betreten. Am Ende eines langen Abschnitts im Römerbrief singt Paulus ein großes Lied von der Liebe Gottes.. Er tut es, obwohl er Dinge erlebt hat, die an der Liebe Gottes zweifeln lassen. Von Menschen verfolgt, von Stürmen und Erdbeben in Todesgefahr gebracht, könnte er von ganz anderen Dingen ein Lied singen: von Trübsal, Angst, Verfolgung, Hunger, öffentlicher Bloßstellung, von Gefahr und mörderischen Waffen. Er sieht diese Tiefen des Lebens und verarbeitet sie. Er kennt die Arena, in der damals der Kampf auf Leben und Tod stattfand, und er kennt sie nicht nur als Zuschauer.  
Mit offenen Augen in zerstörten Städten, im Angesicht von Menschen und Mächten, die alles andere als harmlos sind, singt der Apostel sein Lied vom wahren Mensch.
Er singt es für die Toten von German Wings, die Terroropfer von Paris und die millionenfache Zahl all der namenlosen Opfer der Kriege im Nahen Osten und in Afrika, von denen niemand berichtet.
In der Mitte dieses Liedes steht der Schmerz Gottes: Der eigene Sohn, das eigene Leben, gestorben, so wie Menschen immer noch elend sterben: Opfer von religiösem Fanatismus, von Krankheit und Unfall. Doch solange dieses Lied ertönt gibt es noch Hoffnung.
Dieses Lied will überall gesungen werden, in Freude und Leid. Bei Beerdigungen in unserer Gemeinde kam es genauso vor wie bei Hochzeiten.  Denn was immer auch kommt, nichts wird uns von der Liebe Gottes trennen. Wie immer auch 2016 klingen wird, die Melodie eines Liebesliedes wird dabei sein.     

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