Konfirmationspredigt 07. 05. 2000: Gottes Gebot
2.Mose 20,1-6
Gott redete diese Worte:
Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe.
Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist:
Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen,
aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.
Liebe Gemeinde, Eltern und Paten, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,
„Ich bin ...“ so beginnen die Zehn Gebote. „Ich bin ...“, so habt ihr euch letzten Sonntag hier vorgestellt: „Ich bin Kristine, ich bin Sarah, ich bin Max, ich bin Christian, ...“
„Ich bin ...“, so habt ihr’s auch gesungen. „Ich bin so schön, ich bin so toll, ich bin der Anton aus Tirol ...“ – selbst wenn euer Name nicht Anton war und es bei der Vorbereitung der Konfirmation mehr um den Berg Sinai als die Berge Tirols ging.
Auf unserer Konfirmandenfreizeit hat sich der Anton aus Tirol dann zudem noch in die Milka aus der Schweiz verliebt, und beide Alpenvölker haben sich mit einem Herz und zwei Namen im Baumstamm verewigt: Anton und Milka, 25. 3. 2000, die große Liebe. Das habt ihr als Bild gemalt und so hängt es jetzt in der Empore unserer Kirche.
Und doch ist etwas dazwischen gekommen. Der Teufel hat sie gepackt. Das Herz ist zerbrochen. Die Wege trennen sich, und Anton und Milka sind gar nicht mehr so schön und so toll. Nur noch ein Schatten von einst.
Etwas Fremdes von Außen ist dazwischen gekommen, fremde Götter. Das ins Herz geschriebene Gebot wird zu etwas fremdem äußerem: „Du sollst nicht ehebrechen.“ Schwer und mühsam zu lernen und immer wieder vergessen.
Aber Gottes Gebot ist nichts Fremdes. Es ist das, was in dir selbst steckt. Die erste Mahnung „keine anderen Götter“ heißt: bete nichts an, was du nicht bist! Du bist Anton, oder du bist Milka und gerade so tief in dir drin schön und toll oder auch schokoladensüß, lila und unverwechselbar.
Das hört sich einfach an, aber ihr wisst, manchmal da ist das so schwer: Wenn du morgens in den Spiegel schaust und siehst, was da über Nacht wieder alles an Pickeln gewachsen ist; wenn du aussiehst als wärst du in den Dornbusch gefallen. Wenn du nur noch aus deiner Haut möchtest, dann sag ruhig: Oh Gott! Hilfe! Schick, wenn’s sein muss, auch noch mehr Stoßseufzer zum Himmelstor. Aber dann höre auch Petri(y) Stimme, die dir sagt: „Ich will dich.“ Gottes Stimme, die in allen Wahnsinn dieser Welt hinein sagt: „Ich weiß was ich will. Ich will dich!“
„Ich will dich“, sagt Gott zu Beginn des Auszug aus der Sklaverei dem Mose. „Du bist mein Auserwählter.“
Der fragt weiter: „Ich, wer bin ich denn, dass du mich auserwählst?“
Gott sagt: „Ich stehe dir bei“
Mose fragt weiter: „und wer bist du, dass du mir beistehst?“
Gott antwortet: „Ich bin da, Ich bin halt einfach da, oder auch gleich dreifach. In bin der Gott deiner Vorfahren. Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“; und heute würde er gewiss noch hinzufügen: „Die Göttin von Sarah, Rebecca und Rachel.“
Im Zwiegespräch hat Gott an diesem Tag eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn Mose – der gestern noch fast der King war, der Prinz von Ägypten, nach außen so imponierend – zeigt sich hier plötzlich voller Selbstzweifel und furchtbar schüchtern: „Ach Herr, ich habe doch noch nie gut reden können, und auch seit du mit mir, deinem Diener sprichst, ist das nicht viel besser geworden. Ich bin im Reden viel zu schwerfällig und unbeholfen. Nimm es mir nicht übel, Herr, aber schicke einen anderen“.
„Ich kann ich nicht reden, ich kann nicht malen“ – ach was kann man nicht alles an sich entdecken, was man nicht kann, und das ganze Nichtkönnen kann dabei zum schwarzen Loch werden, das einen trübselig und depressiv macht.
Gott antwortet darauf mit der Kreativität des Zorns: „Hör endlich auf, ständig andere zu bewundern! Hör auf, immer von anderen Göttern das Heil zu erwarten. Wer hat den Menschen denn die Sprache gegeben? Wer macht sie sehend oder blind?
Ich, die ganze Kraft des Schöpfers, bin doch in dir drin! Und außerdem hast du noch einen Bruder, der kann für dich reden. Gemeinsam seid ihr unschlagbar. Dieser Bruder sucht dich schon. Mach dich auf ihn zu finden.“
Bevor wir aber jetzt den Bruder suchen und finden kommt in der Geschichte erst der Pfarrer zum Einsatz. Jithro aus dem Lande Midian ist das in diesem Fall. Der segnet ihn ein. „Geh in Frieden, glückliche Reise, möge das Abenteuer deines Lebens dir gelingen.“
Das ist Konfirmation.
Heute morgen Gottes Segen für eure Reise ins Leben. Heute Mittag und Nachmittag, den der Eltern, Großeltern, und Paten und heute Abend hört ihr vielleicht die Stimme, die einst Abraham und Sarah sagte: „Geh aus deinem Elternhaus, weg von deiner Verwandtschaft.“ – Und dann geht’s rund! Das kann schon mal eine gute Übung in Selbstbeherrschung und Selbstbegrenzung sein.
Von Jesus wird berichtet, dass er unmittelbar nach Taufe und Einsegnung den Versuchungen des Satans ausgesetzt war. Dergleichen soll gelegentlich auch auf dem traditionellen Rundgang hier in Wachenbuchen geschehen. Wer dem erliegt, riskiert, dass er am Ende nicht mehr weiß, wer er ist.
Ja, wer bin ich denn? Wer bist du denn?
Du bist mein geliebter Sohn, flüstert eine Taube bei der Taufe Jesus ins Ohr. Und der nimmt das nun nicht als seinen Privatbesitz, Gott gleich zu sein, sondern sagt es weiter von Mensch zu Mensch. Sag’s anderen ins Ohr, damit die es auf den Dächer verkünden:
Du bist auserwählt.
Du bist mein Geliebter, du bist meine Geliebte.
Selig bist du – und das noch schärfer wie in dem Lied, das der Chor eben gesungen hat:
Selig bist du, ohne wenn und aber.
Selig bist du in deiner ganzen Armut.
Selig bist du, mit deinem ganzen Leid.
Selig bist du, mit all deinen Verletzungen.
Selig bist du, mit deiner Schüchternheit.
Genauso bist du von Gott auserwählt,
zum Leben prädestiniert.
Und deine Antwort könnte dann sein, nun entsprechend selbstbewusst zu sagen: Ja, ich bin’s, ich bin Christ.
Ich bin Christ, das heißt nicht irgendwelche Dogmen oder Lehren glauben zu müssen, die keiner versteht. Christsein heißt: Du bist frei, zu glauben was du glaubst. Bete keine Ideologie an, so geht das Erste Gebot ja weiter. Mach dir kein festes Bild, weder von Gott, noch von den Menschen. Bleibe offen für das Leben.
Hol’ den Pharao vom Sockel!
Hol’ Hitler vom Sockel!
Hol’ Stalin vom Sockel!
Und auch: Hol’ das goldene Kalb vom Sockel!
„Ich bin ...“ auf hebräisch: Anoki Jod, He, Waw, He – der Name Gottes bleibt unübersetzbar. In diesem Namen ist das Geheimnis der Welt. Mit diesem Namen verbindet sich kein Bild aber eine Geschichte, und deren Überschrift steht im ersten der Zehn Worte.
„Ich bin der, der dich aus Ägyptenland aus der Sklaverei geführt hat.“ Ich bin die Freiheit. So stellt Gott sich vor. Und alles andere, was nun noch folgt hat nur diesen Sinn und Zweck: Diese Freiheit zu schützen und zu vermehren, „damit du lange lebest auf Erden“.
„Von der Freiheit eines Christenmenschen“, mit dieser kleinen Schrift läutete Martin Luther einst die Reformation ein. Die Glocken, die heute zu eurer Einsegnung als evangelische Christen läuten sind Freiheitsglocken. Der Sinn des Konfirmandenunterrichts ist die entsprechende Einweisung in die Freiheit eines Christenmenschen und das gleich doppelt:
Als Christ bist du freier Herr, freie Dame deines Lebens. Du bist kein Sklave. Du bist der Regierungschef in deinem Reich. Und was du tief in dir schon bist, kannst du im Laufe deines Lebens auch immer mehr werden: Eine souveräne Persönlichkeit.
Du bist nicht allein auf dieser Welt. Da sind noch andere Menschen. Respektiere sie als freie Persönlichkeiten, diene ihnen mit deinen Begabungen und sie werden auch deine Freiheit mit Lust und Liebe bereichern.
Deswegen reicht es nicht, alleine vor sich hin zu lerne, sondern wir mussten zweimal im Gemeindehaus übernachten und auch noch auf eine Freizeit fahren.
Der Ruf nach Freiheit wurde dabei dann sehr konkret als Bitte, doch noch eine Stunde länger zusammen auf einem Zimmer hocken zu dürfen. Freiheit wird schließlich erst schön, wenn man sie gemeinsam und füreinander erkämpft und genießt.
Dass die Konfirmandenfreizeit da jedenfalls wohl ganz erfolgreich war, habe ich als Pfarrer an den schönen Werken gemerkt, die ihr gemalt habt – und als Vater eines Konfirmanden an der nächsten Telefonrechnung.
Du bist nicht allein auf dieser Welt. Doch bevor wir darüber „Freude schöner Götterfunke anstimmen ...“ und „ ... alle Menschen werden Brüder“, gleich dies zur Nüchternheit:
Zu Beginn der Konfirmandenzeit habe ich euch in einem Interview gefragt: „Was ärgert dich am meisten?“ Eine Antwort war: „Mein Bruder“. So was soll vorkommen seit Kain den Abel erschlug. Freunde kann man sich aussuchen, Brüder und Schwestern dagegen nicht. Die sind halt einfach da, fast wie Gott, und manchmal dauert’s Jahre wie bei Mose und Aaron, bis die zueinander finden und gemeinsam - einer die Ergänzung des anderen - das Volk ins Gelobte Land führen.
Deswegen: Auch wenn er dich ärgert, auch wenn zur Geschwisterliebe manchmal eine gehörige Portion Hass gehört: Don’t kill! Nicht töten! Du brauchst ihn noch – deinen Bruder.
Oder mit Jesu Worten: Liebe deinen Feind!
Wenn ihr heute am Abendmahl teilnehmt, dann ist das auch ein Bekenntnis zur Großfamilie. Da trinkt ihr nämlich Blutsbrüderschaft mit allen, die an diesem Ritus teilnehmen. Hier vor Ort in unserer Gemeinde, aber auch weltweit in der einen christlichen Kirche.
Ihr seid damit auch für unsere gegenwärtige Zeit prägenden Vorgang der Globalisierung bestens vorbereitet.
Globalisierung – ihr wisst was das ist: Globalisierung – das ist wenn man von Wachenbuchen aus mit einem amerikanischen Handy die italienische Pizza beim Inder in Mittelbuchen bestellt, die von einem muslimischen Afghanen mit japanischem Auto ins evangelische Gemeindehaus gebracht wird -- mit französischen Wein als Zugabe.
„Friede sei mit euch“, wünscht Jesus dazu, „guten Appetit! Wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch – zu allen Völkern.“
Aber genau dieser Friede der Weltkindern ist bedroht – und zwar durch dumme Sprüche. Töten fängt mit Worten an, sagt uns Jesus in der Bergpredigt. „Wer zu seinem Bruder sagt, du Kanake, der zündelt mit höllischem Feuer.“ Zwei Hände unterschiedlicher Hautfarbe habt ihr auf einem Bild gemalt und dazu geschrieben: Keine Gewalt.
Wer Gewalt gegen Fremde auch nur stillschweigend toleriert, der zerstört die Lebensgrundlagen in unseren international vernetzten Orten. Der zerstört damit auch seine Heimat.
Ihr seid ab heute mit eurer Konfirmation Vollmitglieder einer Kirchengemeinde und ihr seid Mitglieder der einen weltweiten Kirche.
Da muss man gar nicht zuerst an die Institution von Papst und Bischöfen denken. Luther hat recht: „Alles was aus der Taufe gekrochen ist, ist schon Papst und Bischof“ und weiß meist schon mehr über die Zusammengehörigkeit der Konfessionen als mancher Theologieprofessor.
Wir gehören zusammen! Alle Völker! Das zu lernen und zu lehren ist unsere Mission. Darauf seid ihr getauft.
Diese Welt aber wird zerrissen von hemmungslosem Begehren.
Deswegen ist auch das 10. Gebot neu zu lernen, so wir ihr das treffend gemalt habt:
Diese Erde gehört allen Menschen.
Sie gehört allem Lebendigen.
Sie gehört Gott.
Sie gehört nicht den multinationalen Konzernen.
Sie gehört nicht den Aktionären.
Sie gehört nicht bloß der Generation, die jetzt gerade lebt.
Sie gehört auch nicht denen, die für ein paar Perlenketten noch das letzte aus ihr herausziehen wollen.
Sie gehört Gott.
Wer Gottes Gebot missachtet zerreißt das Netz des Lebens. Die Grundrechte, die Menschenrechte müssen respektiert werden und mit Zivilcourage verteidigt.
Die Protestanten auf eurem Bild zum ersten Gebot tun das.
Fast könnte ich damit Amen sagen, wenn da nicht noch das Bild mit dem maskierten Apfel wäre. Vor dem sind manche stehen geblieben und haben gefragt: Ich weiß nicht, was soll das bedeuten? Nicht falsch Zeugnis reden - kommt man nicht gleich drauf. Ehrlichkeit – schon eher. Vielleicht aber noch viel ursprünglicher dies:
Die Lust am Leben. Der sinnvolle und grundehrliche Umgang mit der Lust im Garten Eden. „Von allen Bäumen darfst du essen“, sagt Gott dazu. Auch von dem Apfel in der Mitte. Aber warte bis die Zeit dafür reif ist, damit du auch morgen noch kraftvoll zubeißen kannst.
In der Zeit des Wartens auf den richtigen Augenblick kann – wer die Barmherzigkeit Gottes erfahren hat – ja schon mal ein Herz und zwei Namen in den Baumstamm ritzen. Das kleine Kreuz zwischen Anton und Milka wird dabei zum Zeichen für Leben „plus“, zum Zeichen für doppeltes Leben, so schön und so toll. Amen