Geist > Hochzeit
Beständige Liebe
Traupredigt zu 1.
Petrus 4, 8 + 10
Vor allem aber bringt einander eine tiefe und herzliche
Liebe entgegen, Jeder soll den anderen mit der Gabe dienen, die er von Gott
bekommen hat. (nach Neue Genfer
Übersetzung)
Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn
»die Liebe deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12). Seid gastfrei
untereinander ohne Murren. Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er
empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade. (Luther-Übersetzung)
Liebes Brautpaar!
„Es ist genug, dass
ihr die vergangene Zeit zugebracht habt wie die Gottlosen. Ausschweifende
Orgien gehörten dazu, das Ausleben eurer Triebe, Alkoholexzesse, Fresserei und
Saufen und abstoßender Götzendienst. Und jetzt wundern sich die Leute, dass ihr
bei dem haltlosen, wüsten Treiben nicht mehr mitmacht".
Nein – liebe Hochzeitsgemeinde, was wir da gehört haben ist
keine Beschreibung des Lebenswandels von Braut oder Bräutigam vor der Hochzeit.
Ich will da erst gar keinen Verdacht aufkommen lassen, auch wenn die Disco am
Anfang stand und die Einführung in rheinländische Gepflogenheiten folgte.
Es ist der Zusammenhang aus dem der Trauspruch stammt, den
ihr euch ausgesucht habt. „Ein schöner Spruch, der uns angesprochen hat“, habt
ihr beim Traugespräch gesagt und ergänzt: "Aber ich weiß gar nicht was im
1. Petrusbrief sonst noch so drin steht". So ist das bisweilen, da spricht
einen was an, und den Zusammenhang entdeckt man erst später. So ist das
bisweilen auch mit dem Mann oder der Frau, die man da kennenlernt und heiratet.
Man sieht das Charisma, die besondere Gabe des Mannes, oder den Charme der
Frau, verliebt sich, und das ganze Drumherum kommt erst so richtig bei der
Hochzeit heraus: die Verwandtschaft, die Freunde und Bekannten des Anderen
Gottes Wort will Mut machen, euch auf diesen größeren
Zusammenhang einzulassen, euch auf die ganze Gesellschaft einzulassen und das
als Herausforderung zu begreifen: "Die Liebe deckt auch der Sünden
Menge." Ruhig und mit Liebe also die ganze Gesellschaft entdecken, die
heute hier versammelt ist, in diesen Tagen an euch denkt oder sich mit dem
einen oder anderen Gruß bemerkbar macht. Ich selbst stehe zudem jetzt auch hier
als Repräsentant der Lebenden und der Toten von Wachenbuchen. Da lassen sich
die Vorfahren der Familie zurückverfolgen soweit es schriftliche Aufzeichnungen
gibt. Aber das ist nur ein Strang in einem größeren Zusammenhang. Von der
anderen Wurzel in Bad Gastein haben wir schon gehört. Der Kölner Dom am Niederrhein
spielt ebenfalls eine Rolle. Dass wir heute aus Nord und Süd hier
zusammengekommen sind verdeutlicht: Es geht nicht nur um eine Linie oder eine
Wurzel, es geht um einen größeren Zusammenhang, und der Bund fürs Leben wird in
der Mitte davon geschlossen.
Zum Fest der Liebe sind dabei nicht nur die Heiligen
geladen, also Menschen, die astrein sind und mit denen man sich einfach gut
versteht, die Netten und Lieben. Es sind auch die Sünder da. Deshalb kann man euren Trauspruch auch so auslegen:
Eine gute Liebe verträgt auch eine Menge Sünder; Menschen, mit denen es schwierig ist und die
Probleme haben, auch mal was anderes zu sehen als sich selbst. Und es gehören
all die vielen dazu, die eine Mischung aus beiden sind: Sünder und Heilige.
Zum Fest der Liebe gehören beide, weil sich an solchen Fest
bisweilen auch der eine in den anderen verwandelt. Wer entdeckt, wie schön
wahre Liebe ist hört auf mit gottlosem Treiben. So berichtet es der Petrusbrief.
Und die Leute wundern sich. Ein Mann erzählt mir: "Hätte ich meine Frau
nicht getroffen, ich wäre im Alkohol, untergegangen. Es war einfach maßlos, was
wir da getrieben haben." Doch mittlerweile ist der reuige Sünder schon 30
Jahre glücklich verheiratet, und er bezeugt, dass es Besseres gibt als
gottloses Treiben, als sich treiben zu lassen von hier nach da, von dieser
Welle zu jener, um - vom Winde verweht - irgendwann unterzugehen oder als
Strandgut zu enden.
Für Roman und Literatur mag solches wüste Treiben wie bei
den alten Römer zur Zeit des Paulus durchaus etwas Faszinierendes haben. Man
kann damit die Bestsellerlisten anführen. Nur ganz real leben lässt sich so
etwas auf Dauer nicht. Und gesund ist es auch nicht.
"Die Liebe deckt auch der Sünden Menge" – ein
solches Fest wie heute ist ein Tag fröhlicher Vergebung, wo sie nötig sein
sollte. Gerade das gehört zu beständiger Liebe: Die Kunst der fröhlichen
Vergebung, so dass man der vergangenen Sünden gar nicht mehr oder höchstens mit
einem Schmunzeln gedenkt.
Um entsprechende Großzügigkeit gegenüber den Gästen bittet
der Petrusbrief. "Seid gastfrei untereinander ohne Murren." Also:
auch wenn die Gäste, weil es so schön ist, mehr trinken und mehr essen sollten
als kalkuliert - bezahlt ruhig die
Zeche. Das nächste Fest der Anderen gibt Gelegenheit zur Revanche.
Der 1 Petrusbrief ist voller guter Empfehlungen für ein
christliches Leben. Die stehen da um euren Trauspruch herum. Das beginnt mit
der Empfehlung, die Schwester zu lieben oder den Bruder so gut man kann und es endet
mit der Aufforderung zum Küssen. Euch muss man das nicht mehr sagen.
Schließlich hatte der Bruder zum richtigen Zeitpunkt sein Handy dabei, zum
Abspeichern der Telefonnummer von der Frau fürs Leben. Und die Schwester hat
den Pfarrer für dieses Fest organisiert.
"Grüßt euch untereinander mit dem Kuss der Liebe",
endet der Petrusbrief. An einem solchen Tag wie heute fällt das nicht schwer.
Die eigentliche Herausforderung aber ist, dass Bestand hat, was mit großem
Gefühl beginnt. Beständige Liebe ist mehr als ein großartiges Gefühl. Ihr
Geheimnis liegt in dem Dienst füreinander, im Haushalten mit den Gaben Gottes,
den Begabungen, die jeder von euch mitbringt, den Gaben, die ihr ererbt oder
geschenkt bekommt. Kluges Haushalten, wirtschaften, miteinander arbeiten an der
gemeinsamen Sache in Familie und Beruf - vermehrt diese Gaben und es gibt der
Liebe Bestand. Besonnen und nüchtern, sollt ihr sein. Das kann den Alltag
prägen und hilft auch in bisweilen notwendigen Konflikten.
„Vor allem aber bringt einander eine tiefe und herzliche
Liebe entgegen“. Was euch „vor allem“ angesprochen hat, strahlt aus in einen
größeren Zusammenhang. Es entsteht der Raum für eine neue Familie, in der
Kinder erst werden und dann groß werden können, Raum für den Beruf, in dem das
Werk der Väter weitergeht unter veränderten Bedingungen. Die tiefe und
herzliche Liebe ist das, was noch bleibt, wenn sonst nichts mehr bleibt und das
Ende aller Dinge gekommen ist.
Der Petrusbrief sieht dieses Ende aller Dinge sehr nahe
herbeigekommen. Ob es nun der Ausbruch des Vesuv war mit Lava und Asche oder
Eruptionen in der Gesellschaft: Es beginnt zu seiner Zeit eine
Christenverfolgung. Da werden gerade jene zum Sündenbock gemacht, die
Verantwortung übernommen haben. Jedenfalls: die Perspektiven zu seiner Zeit
waren nicht rosig und es gab viele Gründe zu bezweifeln, dass das noch lange
gut geht.
Doch gerade weil Unheil droht und die Zeit befristet ist,
soll sie nicht vergeudet werden mit wüstem Treiben. Das Motto für antike
Orgien: „Lasst uns Essen und Trinken, denn morgen sind wir tot“ galt für die
Christen nicht.
Wir leben aus einer Kraft, die stärker ist als der Tod. Die
Kraft der Liebe lässt die Menschen hoffen, ermutigt sie zum Dienst füreinander,
zum Bau an einer neuen Welt, auch wenn das Ende aller Dinge schon so nahe
scheint. Nicht hemmungslose Selbstverwirklichung ist ihr Programm, sondern die
Verwirklichung des Selbst eines anderen. Sorgt also dafür, dass der Partner
sich entfalten kann. Haltet einander den Rücken frei.
Wo ich so zu dem Menschen an meiner Seite stehe, wird auch
jemand da sein, der mir zur Seite steht. Da werden Kinder spielen, da werden
prächtige Werke entstehen. Selbst wenn das Ende der Dinge kommt, wie beim
Ausbruch des Vesuv über Pompeji: Irgendjemand wird es schon wieder ausgraben
und staunen und rühmen und in einer anderen Welt weiterführen.
Im Jahre 1638 war das Dorf Wachenbuchen durch den 30jährigen
Krieg weitgehend verwüstet und entvölkert. Die Häuser waren zerstört, die
Kirche schwer beschädigt. Fast das ganze Jahr über wird kein einziges Kind
geboren. Aber das Kirchenbuch vermerkt auf Seite 2.: 10. Oktober 1638: Johann
Vix mit Margaretha Koch Kirchgang gehalten. Ein Jahr später werden drei Kinder
geboren und für 1640 vermerkt das Kirchenbuch 11 Taufen. Weil man keine Glocke
hat, wird ein Horn angeschafft, mit dem man zum Kirchgang bläst und anderen
Orts entsteht das Lied, das wir zum Eingang gesungen: „Geh aus mein Herz und
suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben.“ Dient einander
mit diesen Gaben.