Ps. 34, 9: Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist. - kloster-hachborn.de

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Predigt zum Erntedank 2011

Lukas 12, 16 -24: Der reiche Kornbauer,  sorget  nicht!
Ps. 34, 9: Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist.



Liebe Festgemeinde,

Erntedankfest, das ist heute hier wie im Paradiesesgarten, den Tagen der Schöpfung. So viele Blumen um uns herum, es duftet und wir können sehen und schmecken, was auf den Äckern und  in unseren Gärten gewachsen ist. Alle Jahre wieder - hier in der Kirche und heute Nachmittag zur Erntedankausstellung im Gemeindehaus. Wir danken Gott im Himmel,  der alles so gut wachsen ließ.  Wir danken den Landfrauen auf Erden, die das hier so sichtbar ausgestellt haben. Wir dankten dem vereinten Männerchor für den Lobgesang dazu. Wir danken allen, die an diesem Tage hier mitwirken.

Die so sinnlich dargestellten Früchte der Bauern und Gärtner stehen dabei auch symbolisch für manches  andere,  das in vielfältigen Formen  der Wirtschaft erzeugt werden konnte und gewachsen ist.  Auch dort  gab es in diesem Jahr eine reiche Ernte.

Darüber singen  wir das Lob Gottes. Wir wollen die Freundlichkeit des Himmels noch dazu schmecken, im Abendmahl  zwischen den Blumen und den Früchten des Feldes.

Ein Hauch von Paradies liegt über diesem wunderbaren Spätsommertag. Wenn sie hier oder  nachher im Gemeindehaus die Vielfalt von Äpfeln sehen und den Frischgepressten genießen,  dann wissen sie, warum die biblische Paradiesesfrucht vom Baum der Erkenntnis in der späteren Nacherzählung der Geschichte zum Apfel geworden ist.

Danke also für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag. Es ist gut, dass wir das alles so reichlich haben. Die letzte Hungersnot in unserem Land liegt schon Generationen zurück. Auch die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Der Dank dafür verpflichtet uns, auch dafür zu sorgen, dass in anderen Weltregionen der Hunger besiegt werden kann und Menschen in Lohn und Brot stehen. In den Dürregebieten Afrikas,  auch in  Indien oder China, jenen aufstrebenden Ländern, die wir manchmal bedrohlich als Konkurrenten wahrnehmen, weil dort die Arbeitskraft billiger ist, die Wirtschaft sehr viel schneller wächst wie bei uns. Gönnen wir es ihnen. Schließen wir das auch in unseren Erntedank mit ein.

Das Christentum ist eine Weltreligion. Wir wollen, dass alle Menschen satt werde, unabhängig von Hautfarbe, Nation oder Herkunftsreligion. Alle, wirklich alle sollen die Freundlichkeit Gottes schmecken und sehen können. Dafür sammeln wir heute die Kollekte. Danke für unser tägliches Brot hier und für den täglichen Reis in der Ferne.

Es  mischen sich nun aber auch Sorgen in unseren Erntedank. Werden wir auch morgen noch so ernten können wie heute? Werden wir im Alter die Früchte unserer Lebensarbeit noch so genießen können, wie die Generation vor uns?

Die Landfrauen werden älter. Manche ist schon über 50 Jahre dabei. Wer wird die Kirche die nächsten Jahre schmücken? Die Sänger werden älter. Wie lange wird die Stimme noch tragen? Auch: die letzten regelmäßigen Sonntagskirchgänger  sterben dahin. Letzten Sonntag waren es gerade mal noch sieben. Wären die Taufen, Trauungen und Beerdigung nicht, so sehe es düster aus.  Nur mit sieben Leuten im großen Kirchenraum, da ist es schwer mit Lob und Dank getröstet nach Hause zu gehen.

Was wird das noch werden? fragt mancher bange.  Werden die Kinder ganz ungläubig und gottlos sein?  Werden sie nicht mehr zu Kirche gehen? Wird ihnen der Glaube nichts mehr bedeuten?

Oder werden die Kinder das Werk fortsetzen, das Generation hier gehegt und gepflegt, aufgebaut und bewahrt haben?  

Die Dichterin Marie Luise Kaschnitz hat die Paradiesesgeschichte von Adam und Eva auf ihre Weise weitererzählt. Sie hat sich gefragt: Wie war es wohl, als die beiden aus dem Paradies vertrieben waren? Lange Zeit wird es ihnen ziemlich schlecht gegangen sein; denn sie waren ja an das schwere Leben und an die Arbeit nicht gewöhnt. Die beiden Söhne haben ihnen, wie man weiß, nicht nur Freude gemacht. Für Adam aber, so meint die Erzählerin, könnte der schrecklichste Augenblick der gewesen sein, in dem er darauf kam, dass sie sterben müssten wie die Tiere. Von nun an konnte ihn nichts mehr erfreuen, weil ja nichts Bestand haben würde. „Was wir hier zurücklassen, ist unfertig und keinen Pfifferling wert“, sagt Adam in der Geschichte zu Eva.

„Jemand wird es schon fertig machen“, sagte Eva. – „Die Kinder“, sagte Adam streng, „sind träge und leichtsinnig. Sie wissen nicht, was Arbeiten heißt, und werden elend zugrunde gehen".  „Es wird schon noch etwas aus ihnen werden“,  sagte Eva.

Diese Erzählung ist 1952 erschienen, nach dem Krieg in den Jahren des Wiederaufbaus. Es ist die Zeit, in der die Eltern anfangen, sich Sorgen um die Kinder zu machen. Es ist nicht mehr die Sorge, ob man sich und die Seinen vor dem Verhungern bewahren werde. Nein, die Elterngeneration fragt sich, ob die Jungen etwas taugen. Ob sie brauchbar sind für die großen Aufgaben, zu deren Vollendung es noch enormer Anstrengung bedarf. Wahrscheinlich sind damals, vor 60 Jahren in Deutschland viele Gespräche geführt worden, in denen die Rollen ungefähr so verteilt waren wie in dem Dialog zwischen Adam und Eva. Die Väter warfen den Kindern Leichtfertigkeit und Verantwortungslosigkeit vor, die Mütter waren zuversichtlicher: Es wird schon noch etwas aus ihnen werden.

Viele von ihnen, die heute hier im Erntedankgottesdienst sind waren damals jene Kinder, über die so gesprochen wurde. Heute sehen wir im Blick auf ihre Lebensernte: Es ist noch etwas aus ihnen geworden.  Das Vertrauen der Eva hat sich im Lauf der Menschheitsgeschichte immer wieder bewährt. Man sieht es daran, dass sich die großgewordenen Kinder in jeder Generation selbst Sorgen machen wie Adam: Sobald ihre eignen Kinder heranwachsen, sind sie als Eltern voller Skepsis, ob noch etwas aus ihnen werden kann. Es ist genau dieselbe Skepsis, die eine Generation zuvor ihre Eltern bestimmt hat. Sie aber haben längst Verantwortung übernommen. „Jemand wird es schon fertig machen“. Darauf kann man sich immer noch einigermaßen verlassen, wenn man, alt werdend, das Unfertige betrachtet.

„Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen, steht in  des Himmels Hand.“ Auch wenn nicht alles aufgegangen ist, auch wenn vielleicht noch nicht sichtbar ist, ob wir ernten was wir gesät habe. Auch wenn heutzutage andere Sorten auf den Feldern angebaut werden „es wird schon etwas draus werden“ das sind Worte, die auf die schöpferischen Kräfte Gottes vertrauen.

Oder tragen die Worte heute  vielleicht doch nicht  mehr?  Die Geschwindigkeit des Lebens hat sich auf eine atemberaubende  Weise beschleunigt. Viele ängstet das. Kann das gut gehen? Die Finanzsummen, mit denen da heute hantiert  wird sind von gestern kaum vorstellbarer Dimensionen. Das auf und ab der Kapitalströme per Computertransaktionen geschieht in rasender  Geschwindigkeit und lässt keine Zeit zum Durchatmen. Wir merken es am Benzinpreis, der manchmal innerhalb von Stunden um 10 Cent  steigt oder fällt. Vor drei Jahren ging es darum, ob eine Bank Pleite geht oder vor dem Bankrott gerettet wird, heute geht es um ganze Staaten und eine Verschuldung, bei der wir Angstvoll fragen: wer soll das je zurückzahlen?

Ist das Projekt Euro gescheitert? fragte man diese Woche. Können wir da noch mit dem nötigen Gottvertrauen sagen: „Es wird schon noch etwas daraus werden?“

Ich glaube – und  dafür stehen wir auch als Kirche – Wir brauchen jetzt erst einmal Räume der Besinnung. Tage der Entschleunigung. Zeiten, wo das Leben langsamer geht. Zeiten des Genießens, Zeiten wo wir es uns einfach nur mal richtig gut gehen gelassen und mit Ingeborg Bachmann sagen: „Nichts Schöneres unter der Sonne, als unter der Sonne zu sein.“  Am 7. Tag ruhte Gott von allen seinen Werken. Auch wir können getrost nach Säen und Ernten von allen unseren  Werken ruhen und die Dinge einfach mal gut sein.

Manchem möchte ich das zurufen: Lass es doch einfach mal gut sein!  Manchem, der immer noch perfekter sein will in seiner Arbeit und dann gar nichts mehr anderes kennt. Lass es doch einfach mal gut sein, auch wenn es nicht 100prozentig ist.  

Manchem der, sich im Streit verrannt hat und verbissen um sein Recht kämpft: Lass es doch einfach mal  gut sein!

Manchem, der im Leben nur noch das Negative sieht, mit so vielen Klagen und Anklagen: Lass es doch auch mal gut sein!

Der reiche Kornbauer ist ein Narr. Er ist das, weil er über all seinem Reichtum, seinem Schaffen und Planen und neue Scheuern bauen - weil er darüber  das Genießen hier und jetzt vergisst, das Schmecken und Sehen der Freundlichkeit Gottes. Er verschiebt es auf irgendwann. Dann will er zu seiner Seele sagen: Nun habe Ruhe. Doch dieses Irgendwann kommt nicht mehr.

Deswegen: Lass es doch jetzt mal gut sein. Und  wenn du eine reiche Ernte hattest, mehr als in die Scheune passt, dann verschenke doch einfach den Überfluss. Du hast doch genug. Du bist doch schon so reich.

„Sorgt nicht“, lehrt Jesus seine Schüler. „Sehet die Raben an. Sie sähen nicht. Sie ernten auch nicht, und Gott ernährt sie doch. Wieviel besser seid ihr als die Vögel!“

Vielleicht haben  sich das auch die Griechen in den vergangenen Jahren gesagt und  haben zu sorglos die  reichhaltigen Früchte der EU genossen. Auch das gibt es. Wir kennen vielleicht auch den einen oder anderen unter uns, der zu sorglos gelebt hat und nun entsprechend verschuldet ist.

Doch vielleicht stimmt es auch andersrum:  Wir haben hier  zu viel gearbeitet. Wir haben  das Leben zu wenig genossen. Wir wollten den so produzierten Überfluß statt ihn zu verschenken noch verkaufen und haben darüber andere zu unseren Schuldnern gemacht.

Lassen wir’s mal gut sein. Vergeben wir großzügig, so wie auch Gott uns vergibt und kommen wir gemeinsam zur Besinnung -  Zum Gebrauch unserer Sinne, zu Augenlust  und Ohrenschmaus, zu Geschmack und Paradiesesduft, berührt  von Gottes Freundlichkeit.  Wo geht das besser als am Erntedankfest?

Es ist der Tag, nur einfach zu danken für Gottes Barmherzigkeit, der Tag um die Ernte zu genießen und die Überschüsse einfach zu verschenken  ohne dafür Geld zu fordern. Freuen wir uns auch am Genuss der anderen.

Ich freue mich dazu, dass wir heute mehr als Sieben sind – auch das ist ein Geschenk. Sie müssen also nicht alle nächste Woche gleich wieder kommen. Die Teilnahme am evangelischen Gottesdienst ist kein frommes Werk, keine Pflicht und keine Arbeit.

Martin Luther schreibt: „Niemand dient aber Gott, denn wer ihn lässet seinen Gott sein und seine Werk in ihm wirken“. Es ist nicht so, dass Gott unsere Verehrung bräuchte, sondern anders herum: Er will uns die Ehre erweisen, seine Werke in uns wirken lassen, so dass das Herz voll ist und der Mund fließt dann bekanntlich über.  

Dazu braucht man nicht mal einen  Pfarrer.  Wer nicht alle sieben Tage am Sonntagmorgen mit Orgelbegleitung hier den Lobgesang anstimmt, der soll es halt am Montagabend tun im Kirchenchor, am Dienstag beim Männergesang, am Mittwoch mit den Kindern, am Donnerstag im gemischten Chor und am Freitagabend spielt dann die Kapelle.

So betrachtet haben wir in gut lutherischem Sinn einen Überfluss an gottesdienstlichem Leben. Ja, Gott wirkt so gute Werke in uns, dass der eine noch im hohen Altern in den höchsten Tönen singen kann und der andere brummelt im Bass. Er wirkt auch so gute Werke bei der Jugend in der  Kapelle. Und wer nicht singt, der  lobt und preist den Herrn halt mit viel Theater. Dafür bauen wir ja zurzeit neue Räume. Die Landfrauen machen es durch die Blume und bei Obst und Gartenbauern schmecken wir der Freundlichkeit des Herrn beim frisch gepressten Apfelsaft.

So also „preiset alle Gottes Barmherzigkeit, lob ihn mit Schalle werteste Christenheit ...“

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