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Nach der Sintflut - Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte
1. Mose 8, 14 – 22
14 Und am siebenundzwanzigsten Tage des zweiten Monats war die Erde ganz trocken.
15 Da redete Gott mit Noah und sprach:
16 Geh aus der Arche, du und deine Frau, deine Söhne und die Frauen deiner Söhne mit dir.
17 Alles Getier, das bei dir ist, von allem Fleisch, an Vögeln, an Vieh und allem Gewürm, das auf Erden kriecht, das gehe heraus mit dir, daß sie sich regen auf Erden und fruchtbar seien und sich mehren auf Erden.
18 So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne,
19 dazu alle wilden Tiere, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen.
20 Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar.
21 Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.
22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
9,1 Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde.
Liebe Gemeinde,
es ist gut, dass wir hier zusammen sind um Gottes Wort zu hören. Es ist gut, dass Gott wieder zu uns spricht. Es ist gut, dass wir hier seinen Segen wieder empfangen können. Ja, Gott sei Dank, für reiche Ernte und für den Samen von Morgen.
Danke auch den Landfrauen, die hier wieder mit den Früchten der Ernte einen so schönen Altar hergerichtet haben. Danke dem Männerchor der dafür sorgt, dass der Gesang weitergeht. Und: Gott sei Dank, wir sind von Sintfluten verschont geblieben.
Bei uns ist das auch ein ganz besonderer Dank zum Himmel, für den Ort, an dem wir wohnen dürfen. Eine Frau fasste da so zusammen: „Was für ein Glück ist das doch. Wir sind nicht von Erdbeben gefährdet. Der Vulkan hier bei uns, der Vogelsberg, ist schon seit Millionen von Jahren erloschen. Es gibt keine Hurrikans und keine Tsunamis. Selbst wenn der Main mal über die Ufer tritt, so kommt er nicht bis Wachenbuchen. Es gibt keine verheerenden Waldbrände und frisches Wasser haben wir auch genug. Die Kinder können hier recht behütet groß werden. Gott sei Lob und Dank!“
Doch genau dieses „Gott sei Lob und Dank“, geht uns über all dem sicheren Leben manchmal auch verloren. Es ist daher gut, zum Erntedank daran zu erinnern wie wenig selbstverständlich dieses sichere Leben doch ist.
Die uralte Geschichte aus dem kollektiven Menschheitsgedächtnis, die Geschichte von Noah und seiner Familie, den Überlebenden eines Weltuntergangs, sie kann uns helfen heute dem Himmel zu danken.
Da wird berichtet: „Noah baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar.“
Er nahm von dem Reinen, d.h. er nahm das Beste nicht für sich, sondern gab das als Zeichen des Dankes dem Himmel. Auch die Früchte heute sind ein Opfer für den Himmel. Sie sind ein Zeichen, ich will hier nicht alles für mich. Ich bin bereit zu teilen mit anderen in nah und fern und mit dem ganz Anderen, der manchmal so fern ist und uns doch immer wieder nahe kommt. Wo bist du, Gott? so rufen Menschen in den Untergängen und wir ja auch, wenn wir die Bilder der Katastrophe im Fernsehen anschauen. Wo bist du, Gott? so rufen die Vergessen und all jene, die sich im Angesicht der Not verloren und vergessen fühlen und für die sich keine Weltöffentlichkeit interessiert. Er scheint so unauffindbar, wie das Flugzeug, das in diesem Jahr im indischen Ozean verschwand. Wo bist du Gott? so ruft auch Noah. Es dauert lange bis er eine Antwort bekommt.
Am siebenundzwanzigsten Tage des zweiten Monats war die Erde ganz trocken. Da redete Gott mit Noah.
Endlich, endlich redet er wieder – nach langer Zeit. Was für eine Erlösung. Ihr wisst vielleicht wie das ist, wenn ein Mensch, den man liebt einfach nur noch schweigt. Eine Tochter erzählt: „Das war das Schlimmste bei dem was ich getan hatte, dass mein Vater einfach nur schwieg. Wenn er mich geschlagen hätte, oder angeschrieen, das hätte ich ertragen, aber dass er einfach nur schwieg, ein halbes Jahr lang nur schwieg, das war unerträglich...“
Umso mehr wenn Gott schweigt. In der Sintfluterzählung schweigt er – ein ganzes Jahr lang. Statt ihm sprechen dann die nackten Tatsachen: Katastrophe über Katastrophe und kein Ende in Sicht. Da verkriecht sich ein Mensch in den dunkelsten Raum. Archaische Ängste in der Arche. Da traut sich einer nicht mehr heraus, weil die Welt da draußen nur noch Chaos ist. Da wird einer von den Wellen des Schicksals hin und hergetriebe, und er weiß nicht was kommt. Da streckt einer zaghaft Friedensfühler aus, aber die Taube findet nichts wo sie bleiben könnte und kehrt ohne Hoffnung zurück. Dann noch mal ein Versuch und noch einander, bis endlich, endlich der Vogel mit einem kleinen grünen Zweig ankommt. Noah kann wieder Hoffnung schöpfen.
Noch ist die Zeit nicht da, aber er weiß jetzt: Sie kommt wieder, die Zeit in der Gott wieder spricht; die Zeit, in der wir wieder miteinander reden können; die Zeit, in der das Leben zurückkommt; der Tag, an dem ich wieder heraus kann aus dem dunklen Raum der Angst; der Tag, an dem die Untätigkeit zu Ende ist, wo ich endlich wieder etwas gestalten kann auf dieser Erde: säen und ernten. ernten und säen.
Mancher von uns, kennt das aus seinem persönlichen Leben: Wie ihm eine Welt untergeht. Wie das, wofür er gelebt und gearbeitet hat, weggeschwemmt wird und er kann’s nicht halten. Gesät und nicht geerntet. Mancher hat seine Frau verloren, mache ihren Partner. Ein anderer seine Arbeit oder sein Haus. Wissen sie, wie das ist, wenn man dann nur noch orientierungslos dahin treibt: Kein Himmel in Sicht, keine Erde die Halt gibt, Leben in einem dunklen Kasten, in dem es zudem noch fürchterlich stinkt: Du kannst nichts mehr glauben, du kannst nichts mehr hoffen, vom lieben Gott keine Spur.
Da eben redete Gott mit Noah und sprach: Geh aus der Arche.
Geh wieder heraus, aus dem Kasten der Angst. Stellt deine Füße wieder auf die Erde. Säe und Ernte. Arbeite wieder mit einer Perspektive.
So redet Gott mit Noah, dem Urtyp von Mensch. Der Altar, den er baut, der Altar den wir hier aufgebaut haben, das ist ein Teil dieses Gesprächs.
Danke, ist das erste Wort des Menschen nach der Sintflut. Danke einfach dafür, dass wir leben können. Danke für unsere Nahrung, Danke für unsere Lebensmittel. Nach all dem stinkenden Chaos mit dem Todesgeruch erfüllt wieder ein lieblicher Duft das Leben, und der steigt bis zum Himmel.
Und der Herr roch den lieblichen Geruch.
Gott im Himmel hat wieder Freude an den Menschen. Gott hat wieder Freude am Leben. Er will, dass wir da sind, säen und ernten, die Früchte unseres Lebens genießen.
Am Ende der Katastrophe steht ein Altar. Das ist etwas Neues in der Geschichte. Der erste Altar der Menschheit. Das erste Heiligtum. Das erinnert daran wie gefährdet und verletzlich unser Leben ist, wie ausgeliefert wir sind.
Was machen wir, wenn es einfach nicht aufhört zu regnen? Wenn da täglich soviel vom Himmel herabkommt wie sonst nur in Monaten? Sintflut, so sagen uns die Etymologen, die nach der Herkunft der Wörter fanden, ist eine Wortbildung aus lateinisch semper und Flut. Semper heißt immer. Sintflut heißt also nicht anderes als immerwährender Regen, langandauernde Flut. Die Menschen des Mittelalters haben den Begriff Sintflut aber auch noch anders gedeutet. Sie haben ihn umgedeutet zu „Sündflut“.
Da drängen sich Gedanken auf an Umweltsünden, an Sünden gegen die Natur. Mancher Warner vor der sich abzeichnenden Katastrophe wurde lange verlacht, nicht ernst genommen, so wie Noah, der sein Schiff weit weg vom Meer baute. Andere waren wohl zunächst betroffen, als die Flüsse über die Ufer traten. Doch der Mensch vergisst auch schnell. Wird, wo die Wasser wieder abgelaufen sind, der gleiche Trott, dieselbe Gleichgültigkeit wieder einkehren? Werden die Mechanismen der Verdrängung und des Vergessens wieder funktionieren wie eh und je?
Noah aber baute dem HERRN einen Altar.
Ein Altar, das ist auch ein Erinnerungszeichen. Da steht heute viel drauf zum Schmecken und Sehen, zum Genuss des Lebens. Aber auch das Kreuz steht da drauf zur Erinnerung an die Sünden von uns Menschen und das Leid, das wir verursachen.
In diesem Jahr erinnern wir besonders an das, was anklingt in den Worten: „das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Vor hundert Jahren begann der erste Weltkrieg, die Urkatastrophe, des 20. Jahrhunderts.
Und jetzt ziehen wieder junge Menschen auch aus Europa, auch aus unserem Land in den Krieg. Kämpfen in Syrien und Irak für einen islamischen Staat. Wir opfern unser Leben für Allah, für Gott, sagen sie selber. Mit Gott für Kaiser und Vaterland, riefen sie vor 100 Jahren. Doch das ist eine ziemlich böse Dichtung, böses Dichten und Trachten. Denn Gott will nicht, dass wir unser Leben opfern. Wir sollen säen und ernten, und die Früchte genießen. Ein dankbares Herz ist ihm Opfer genug.
Gott will diese Welt nicht untergehen lassen. Er will das nicht, weder in den persönlichen, privaten Beziehungen noch im globalen. Und doch schafft es das Trachten des menschlichen Herzens, „böse von Jugend an“, immer wieder, dass uns die Welt untergeht.
Noch haben wir reiche Ernte, und wir sind heute sehr dankbar dafür. Wir können ernten, was wir gesät haben. Das soll nach Gottes Willen auch so bleiben. Es soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde.
Gott spricht mit uns, wir danken dem Himmel für viele gute und tröstliche Worte. Genießen sie getrost die Ernte mit Lust und Freude, und was sonst noch bleibt ist Gottes Auftrag fruchtbar zu sein, uns zu mehren und die Erde zu füllen und das alles mit einem dankbaren Lied auf den Lippen. Die Landfrauen haben den Altar zum Opfer geschmückt, und für lieblichen Duft hier gesorgt. Der Männerchor singt dazu mit Paul Gerhardt: Die besten Güter sind unsre Gemüter; dankbare Lieder sind Weihrauch und Widder an welchen er sich am meisten ergötzt.